Ein ganz normaler Feierabend nach einem ganz normalen Spätdienst. Es ist nach zehn Uhr abends, es ist dunkel. Auf meinem Weg zur Bushaltestelle komme ich wie immer am nahegelegenen Seniorenwohnheim vorbei.
Plötzlich höre ich aus der Dunkelheit eine kleine klagende Stimme: Aiutatemi, aiutatemi! (Helfen Sie mir, helfen Sie mir!) Ich nähere mich dem hüfthohen Tor, hinter dem eine zierliche Frau steht, ihrem Hilferuf nach eine Italienerin – und leicht verwirrt.
Ich gehe auf sie zu, sodass nur noch das Tor zwischen uns ist, und frage sie, wie ich ihr helfen kann. Ich solle ihr das (natürlich abgeschlossene) Tor öffnen, damit sie weg kann. Das sagt sie nun auf Deutsch. Sie trägt normale Kleidung, also mehr als ein Nachthemd, was dafür spricht, dass sie sich ihre »Flucht« soweit gut überlegt hat.
Sehr undiplomatisch und entgegen meiner sonstigen Art entgegne ich ihr kurz und knapp, dass sie um diese Zeit bestimmt nicht »raus darf«. Woraufhin sie plötzlich gar nicht mehr verwirrt scheint, sondern mir entgegnet, dass ich aber sehr unfreundlich sei.